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Archäobotanik Fürstensitze
Botanische Großrestuntersuchungen im Umfeld frühkeltischer Fürstensitze und zentraler Orte in Hessen, Franken und der Pfalz
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Laufende Arbeiten



Site-Catchment Analyse und Schätzung des eisenzeitlichen landwirtschaftlichen Potentials im Umfeld des Glauberges – ein Zwischenbericht

von Angela Kreuz* und Klaus Friedrich**

Einleitung
Die archäologischen Befunde und Funde der Eisenzeit werden als Hinweise auf soziale Veränderungen gedeutet (www.fuerstensitze.de). Dabei soll es ab dem 5. Jh. zu einem Anstieg der Bevölkerung in Verbindung mit Zentralisierungsprozessen gekommen sein. Die hierarchisch gegliederte damalige Gesellschaft bestand aus Herrscherdynastien, deren Ernährung und Lebensstandart durch eine in Landwirtschaft, Handwerk und Handel tätige Bevölkerung ermöglicht wurden. Eine wesentliche Voraussetzung war also eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion sowie funktionierende Austausch-Netzwerke zwischen landwirtschaftlichen Produzenten- und Konsumenten-Orten. Hier liegt der Ansatzpunkt für unsere archäobotanischen Untersuchungen im Rahmen des Fürstensitze Schwerpunktprogrammes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SPP 1171).

Anpassung der Landwirtschaftsstrategie
In Zusammenhang mit der Bevölkerungszunahme in der Frühlatènezeit müsste es zu einer Anpassung der landwirtschaftlichen Strategien gekommen sein, um den Bedürfnissen an pflanzlichen Nahrungsmitteln und Rohstoffen gerecht zu werden.

Anhand der Kulturpflanzenspektren von insgesamt 13 Arten lässt sich in Hessen tatsächlich eine deutliche Trennung zwischen Hallstatt- und Frühlatène-Fundstellen belegen (Abb. 1
Abbildung 1   [zoom]
). Die Position von Echter Hirse (PAMIL), Schlafmohn (PASOM) und Leindotter (CAMSA) im Diagramm (Abb. 1) zeigt eine hohe relative Bedeutung in den Hallstatt-Fundstellen. Die Latène-Plätze sind hingegen durch Hülsenfrüchte (VIERV, VIFAB, LECUL, PISAT), Lein (LIUSI) und Spelzweizen-Arten (TRDIC, TRISP, TRSPE) charakterisiert. Außerdem können wir ein erheblich vielfältigeres Artenspektrum an den latènezeitlichen Plätzen feststellen.

Es sieht so aus, dass in der Übergangsphase Spät-Hallstatt/Früh-Latène eine Veränderung der landwirtschaftlichen Strategie begann, die eine höhere Artenvielfalt der gleichzeitig angebauten Kulturpflanzen einschloss. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was es strategisch bedeutet, eine größere oder kleinere Zahl Kulturpflanzen anzubauen.

Wenn man versucht mehr zu produzieren, indem man dieselben wenigen Arten in größerem Umfang anbaut, kommt man irgendwann an die Grenzen des Systems. Es entsteht ggf. ein Engpass an gleichzeitig benötigten Arbeitskräften während der Aussaat- und Erntezeiten. Je mehr verschiedene Kulturpflanzenarten man parallel anbaut, desto besser kann man unterschiedliche Standorte und Klimata nutzen und die Arbeitszeiten über die Aussaat- und Erntewochen verteilen. Wenn ein Bauer den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat und Ernte verpasst, führt das zu erheblichen Ertragseinbußen. Bei einer größeren Vielfalt des Kulturpflanzenspektrums lässt sich hingegen das Risiko, Arbeiten zu früh oder zu spät durchführen zu müssen, verringern. Dadurch werden Ernteverluste vermieden. Dies könnten Erklärungen für die Veränderungen von der Hallstatt- zur Frühlatènezeit sein, und es stellt sich die Frage, ob für diesen Wechsel auch externe kulturelle Impulse eine Rolle spielten.

Expansion der Landwirtschaft?
Die Einführung und Akzeptanz neuer Landwirtschaftsstrategien ist beeinflusst durch die Entscheidungsträger und durch die Verfügbarkeit von Land und Arbeitskräften. Wir wissen nun nicht, wo und wie viel Land in der Eisenzeit in Hessen kultiviert und genutzt wurde. Nach den pollenanalytischen Ergebnissen von Monika Schäfer (1996) aus dem östlich vom Glauberg gelegenen Vogelsberggebiet nahm dort in der Latènezeit die Waldweide zu. Dies könnte ein Zeichen für eine Verstärkung der Viehzucht (Wanderhirten?) zusätzlich zur Veränderung des Anbausystems sein.

Es ist interessant, dass es in Hessen in der Eisenzeit noch nicht zu einer Konzentration auf ertragsstarke Kulturpflanzenarten kam, wie später in der Römerzeit (Kreuz 2005). Eine größere Vielfalt des Kulturpflanzenanbaus und eine Ausweitung der Viehzucht genügten möglicherweise, um die Nahrungsproduktion für die Herrscher und ihre Untertanen sicher zu stellen.

Schätzungsmodell zur Landwirtschaft am Glauberg
Landwirtschaft ist eine komplexe Angelegenheit und nicht leicht zu rekonstruieren.
Um einige der relevanten Faktoren deutlich zu machen, wird im folgenden als Diskussionsgrundlage modellhaft ein Fallbeispiel zur Schätzung des landwirtschaftlichen Nutzungspotentials im Umfeld des Glauberges berechnet. Die biologischen und anderen wissenschaftlichen Grundlagen dieser Einzugsgebietsanalyse (Site-Catchment Analyses) werden an anderer Stelle veröffentlicht. Die Boden- und Ertragspotentialkarten unter Berücksichtigung der Hangneigung sowie die Datengrundlagen stellte das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie HLUG zur Verfügung.

Es ist schwierig zu rekonstruieren, bis zu welcher Hangneigung in der Eisenzeit gepflügt werden konnte. Nach intensiven Recherchen wurde die pflugfähige Grenze der Hangneigung für die Berechnungen bei 15˚ (27 %) festgelegt und in drei Klassen eingeteilt:
1) 0 - 10° eben bis mittel geneigt,
2) >10 - 15° stark geneigt, aber für Ackerbau noch geeignet,
3) >15° sehr stark geneigt bis steil, für Ackerbau eher ungeeignet.

Die ackerbauliche Eignung findet ihren Ausdruck in den potentiellen Bodenertragsklassen, die auf Ertragspotentialdaten der Bodenflächendaten 1 : 50.000 Hessen beruhen. Wir nutzen sie in Form von zwei Gruppen:
Gruppe 1: sehr hoch/hoch/mittel, für Ackerbau geeignet,
Gruppe 2: gering bis sehr gering, für Ackerbau eher ungeeignet.
Eine Dokumentation zur Bewertung des Ertragspotentials kann der Dokumentation der Bodenflächendaten 1 : 50.000 (BFD50) entnommen werden.

Als Interpretation aus der ackerbaulichen Eignung, den Bodeneinheiten und der Hangneigung wurden folgende Bodennutzungsklassen gebildet und kartiert (Abb. 2 und 3):
1)
Abbildung 3   [zoom]
Abbildung 2   [zoom]
potentielle Ackerflächen: Hangneigung ≤15°, terrestrische Böden der Bodenertragsklassen sehr hoch bis mittel;
2) Magerweiden: terrestrische Böden der Bodenertragsklasse gering (alle Hangneigungen) sowie Standorte mit einer Neigung von >15°;
3) Feuchtweiden: alle Hangneigungen (tatsächlich fast ausschließlich 0 bis <10°).

Als agrarischer Nutzungsraum wird allgemein das innerhalb einer Wegstunde erreichbare Gebiet der Felder, Brachen und Nutzwälder angesehen und im Folgenden als innerhalb eines 6 km-Radius um den Glauberg gelegen angenommen (Karten Abb. 2 und 3 ).

Möglichkeiten des Getreideanbaus innerhalb eines 6 km-Umfeldes
Für die folgende Modellrechnung wird ein Ertrag von 800 kg Getreide/ha mit einem Aussaat-Ernte-Verhältnis von 1:10 zugrunde gelegt. Bei den im Untersuchungsgebiet vorliegenden guten Böden handelt es sich sicher um die absolute Untergrenze. Als weitere Bedingung wird im Hinblick auf die anzunehmende Bodendegradierung der Eisenzeit ein jährlicher Wechsel zwischen Acker und Brache angenommen, so dass hypothetisch nur 50 % der Nutzflächen bearbeitet wurden. Innerhalb des Betrachtungsgebietes von 113,04 km2 (6 km-Radius) standen 7.576,44 ha potentielles Ackerland zur Verfügung. Bebaute man beispielsweise die Hälfte davon mit Getreide kam es abzüglich 1/10 Saatgut-Reservierung zu einem nutzbaren Ertrag von 2.727.518 kg/Jahr, also täglich 7.472,65 kg Getreide.

Es scheint nicht unrealistisch von einem eisenzeitlichen täglichen Mindestbedarf von einem Pfund Getreide/Kopf auszugehen. Von den Flächen her wäre dies theoretisch für ca. 14.945 Personen innerhalb des 6 km-Bereiches um den Glauberg zu erwirtschaften gewesen, ggf. im Wechsel mit Hülsenfrüchten und Ölpflanzen. Das würde einer Bevölkerungsdichte von 133 Menschen/km2 entsprechen. Es ist unbekannt, welche Bevölkerungsmenge im Umfeld des Glauberges tatsächlich gleichzeitig ansässig war, eine erheblich kleinere Gruppe wäre nach dem archäologischen Forschungsstand aber zu erwarten. Es ist daher die Frage, ob hier ein zu verhandelnder Überschuss erwirtschaftet werden konnte.

In jedem Fall war es wichtig, dass der Arbeitsaufwand der Feldbestellung und Ernte termingerecht bewältigt wurde. Für die geschätzten 3.788,2 ha Getreideanbauflächen würde man mit damaligen technologischen Mitteln für die Ernte in einer Woche (8 Tage) ca. 1.900-3.000 Arbeitskräfte auf einmal benötigen. Je nach Ernteterminen und verfügbaren Arbeitskräften (Bevölkerungsdichte?!) liegt hier ein begrenzender Faktor einer Ertragssteigerung der Landwirtschaft.

Die Karten Abb. 2 und 3 zeigen, dass der Glauberg inmitten eines für Landwirtschaft ideal geeigneten Umfeldes liegt. Ca. 60 % der Flächen sind Ackerstandorte von hoher bis sehr hoher Qualität, ca. 10 % mittlerer Qualität. Hinzu kommen ca. 30 % Flächen, die als Weideland nutzbar waren.

Weideflächen für die Haustiere
Bei den potentiellen Weideflächen handelt es sich zum einen um die Feuchtstandorte in den Auen, Talungen und Senken, zum anderen um Böden geringer Qualität oder an zu steilen Standorten (Magerweiden; Karte Abb. 2). Diese Standorte könnten in der Eisenzeit zum Teil noch bewaldet gewesen sein. Die pollenanalytischen Daten erlauben leider nicht, dies quantitativ festzulegen. Ein hoher Entwaldungsgrad der Siedlungslandschaften ist allerdings für die Eisenzeit anzunehmen, und es soll hier auch nur darum gehen, ein mögliches Weidepotential für die betreffenden Flächen abzuschätzen.

Die Besatzdichte von Haustieren ist abhängig vom Futterangebot der Weidegebiete sowie von der Tierart und der Größe der Tiere. Unter Zugrundelegung von Erfahrungen in Natur-reservaten und von historischen Daten sind folgende Tiermengen zu veranschlagen, die innerhalb der potentiellen Weide-Flächen des 6 km-Radius um den Glauberg zu ernähren waren:

In den ca. 1.880 ha Feuchtstandorten der Auen konnten ca. 1.128 bis >1.180 Rinder gehalten werden. Auch für Schweine waren diese Bereiche ideales Terrain. Die geschätzten ca. 1.820 ha Magerweide-Flächen hätten zur Ernährung von etwa 1.661 Rindern ausgereicht. Bei Schafen kann man etwa die zehnfache Menge an Tieren veranschlagen. Hinzu zu rechnen sind die abgeernteten, brach liegenden Felder, die sinnvollerweise beweidet wurden, da hierbei gleichzeitig eine natürliche Düngung erfolgte.

Alles in allem dürfte die Zahl der im agrarischen Nutzungsraum des 6 km-Radius zu haltenden Haustiere bei mindestens 3.000 Rindern oder entsprechend (viel!) mehr kleineren Haustieren liegen. Ohne Kenntnis der Einwohnerzahlen können wir aber - wie bei den Getreideerträgen - nicht sagen, ob das verhältnismäßig viel oder wenig ist. Im Fall umherziehender Wanderhirten (vgl. oben) könnten die hier berechneten Mengen noch erhöht werden.

Fazit
Die Schätzungen vermitteln einen ersten Eindruck des günstigen landwirtschaftlichen Potentials im Hinterland des Glauberges, aber auch seiner je nach Bevölkerungsdichte möglichen Grenzen und sollen in der letzten Antragsphase gemeinsam mit den archäologischen und archäozoologischen Projektmitarbeitern/innen der Glauberg-Arbeitsgruppe diskutiert und differenziert werden (vgl. DFG-Projekte Pare/Hansen, Sievers/Baitinger/Herrmann/Posluschny, Kalis/Stobbe, Biel/Stephan/Schatz unter www.fuerstensitze.de).

Literatur:
Egg, Kreuz, Pare 2006
M. Egg, A. Kreuz, C. Pare, Forschungen am Glauberg (Wetteraukreis, Hessen) - Entstehung und Niedergang eines frühkeltischen Machtzentrums. Geist und Natur. Forschungsmagazin J. Gutenberg Universität Mainz 2 (2006) 37-40.
Kreuz 2005
A. Kreuz, Landwirtschaft im Umbruch? Archäobotanische Untersuchungen zu den Jahrhunderten um Christi Geburt in Hessen und Mainfranken. Bericht der Römisch Germanischen Kommission 85 2004 (2005) 97-292.
Kreuz 2006
A. Kreuz, Fürsten, Priester oder Bauern? Archäobotanische Untersuchungen zur Funktion des Glauberges im Bereich der „Annexwälle“. Denkmalpflege und Kulturgeschichte 3 (2006) 32-33.
Kreuz und Schäfer i.Druckvorber.
A. Kreuz, E. Schäfer, Archaeobotanical considerations concerning the development of Iron Age crop growing in the region of Hesse, Germany, and the question of agricultural production and consumption at hillfort sites and open settlements. Proceedings of the IWGP conference in Krakau 2007. Vegetation History and Archaeobotany 2008.
Schäfer 1996
M. Schäfer, Pollenanalysen an Mooren des Hohen Vogelsberges (Hessen) - Beiträge zur Vegetationsgeschichte und anthropogenen Nutzung eines Mittelgebirges. Dissertationes Botanicae 265 (J. Cramer, Berlin, Stuttgart 1996) 3-280.

*Prof. Dr. Angela Kreuz
Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege
des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen
Sachgebiet Naturwissenschaften - Archäobotanik
Schloß Biebrich (Ostflügel)
D-65203 Wiesbaden
a.kreuz@denkmalpflege-hessen.de
http://www.denkmalpflege-hessen.de/Archaeologie/Archaobotanik/archaobotanik.html
http://www.archaeologie.geschichte.uni-mainz.de/

**Dr. Klaus Friedrich
Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie HLUG
Abteilung Geologie und Boden
Rheingaustr. 186
65203 Wiesbaden
k.friedrich@hlug.de
http://www.hlug.de

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Fürsten, Priester oder Bauern? Archäobotanische Untersuchungen zur Funktion des Glaubergs im Bereich der Annexwälle

Die gesellschaftlichen Prozesse, die im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. in Mitteleuropa zur Entstehung sog. Fürstensitze führten, konnten sich nur auf der Basis eines ausreichenden landwirtschaftlichen und naturräumlichen Potentials entfalten. Möglicherweise spiegeln sich diese Vorgänge daher in Veränderungen von Landwirtschaft und Umwelt wieder, zu deren Rekonstruktion archäobiologische Untersuchungen einen wesentlichen Beitrag leisten können. Seit 2004 finden archäobotanische Arbeiten im Rahmen des „Fürstensitze“-Forschungsschwerpunktes der Deutschen Forschungsgemeinschaft statt. Es geht dabei um Siedlungshierarchien und Urbanisierungsprozesse der frühkeltischen Zivilisation im Verhältnis zur Landwirtschafts- und Landschaftsentwicklung.

Die archäologische Befundlage am Glauberg hat neue Fragen aufgeworfen: Die damaligen sog. Fürsten gehörten zu einer Gesellschaft, die stark agrarisch orientiert war. Was schuf ihren Reichtum? Wo wohnte der Fürst vom Glauberg, seine Angehörigen und Anhänger? Wie wurden die Menschen mit Grundnahrungsmitteln versorgt? Zogen die gesellschaftlichen Entwicklungen des 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. Veränderungen von Landwirtschaft und Umwelt nach sich?

In diesem Zusammenhang ist das im Rahmen des -Schwerpunktes unter Leitung von Ch. Pare, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2004 begonnene interdisziplinäre Projekt mit neuen Ausgrabungen auf und im Umfeld des Glauberges von Bedeutung, bei dem von uns die archäobotanischen Großrestuntersuchungen durchgeführt werden (Bestimmungen von Samen, Früchten, Holz usw.). Eine wichtige Aufgabe unseres archäobotanischen Projektes ist die Gegenüberstellung von Ergebnissen vom Glauberg mit denjenigen ländlicher Siedlungen der Späthallstatt- und Frühlatènezeit des Umlandes sowie mit der allgemeinen bronze- und eisenzeitlichen landwirtschaftlichen Entwicklung in Hessen.

Auf dem Glauberg sind 2004–2005 im Bereich der sog. Annexwälle Siedlungsstrukturen der Frühlatènezeit ergraben worden. Archäobotanische Untersuchungen der Bodenproben erbrachten trotz der relativ kleinen Grabungsflächen den Nachweis eines umfangreichen Spektrums von 88 Pflanzenarten, darunter elf Kulturpflanzen und sieben wild gesammelte Nahrungspflanzen. Es handelt sich um ein für die Eisenzeit vollständiges und erstaunlich reiches Getreidespektrum von sechs Getreiden: Emmer, Dinkel, Gerste, Nacktweizen, Echte Hirse und Einkorn.

Getreide   [zoom]


Außerdem fanden sich alle vier für die Eisenzeit nachgewiesenen Hülsenfrüchte: Erbse, Linse, Linsenwicke und Ackerbohne sowie eine Ölpflanze – der Leindotter. Zur Begleitflora der Kulturpflanzen gehören Unkräuter und heutige Ruderalarten, von denen sich bereits alle in Hessen häufigen Arten bestimmen ließen.

Als weitere Hinweise zum Alltagsleben haben sich Reste von sieben essbaren Sammelpflanzen erhalten: von Weißdorn, Haselnuß, Apfel oder Birne, Schlehe, Himbeere, Igelkolben und Holunder. Die Anzahl der verkohlt nachgewiesenen Sammelobst- bzw. Nussarten liegt in den 36 Vergleichssiedlungen üblicherweise bei eins bis drei. Angesichts des kleinen Grabungsausschnittes überrascht daher beim Glauberg, dass bereits sieben Sammelpflanzenarten aufgetreten sind. Wir können hier – wie bei den Kulturpflanzen – eine gute Versorgungslage annehmen. Verglichen mit anderen Siedlungen dieser Zeit ist diese gute Versorgungslage möglicherweise als Indiz für die hierarchische Position des (Zentral-?)Ortes zu werten. Interessanterweise traten beim Feinsieben der archäobotanischen Sedimentproben auch über 150 Bernsteinfragmente zutage, die Hinweise auf Import sowie vielleicht sogar auf spezialisierte handwerkliche Tätigkeiten vor Ort geben.

Die Ergebnisse von den Annexwällen am Glauberg fallen im zeitlichen Vergleich archäobotanisch aus dem Rahmen: Obwohl dort insgesamt erstaunlich viele Kulturpflanzenarten erfasst sind, ist die Anzahl der Arten je Befund wie auch allgemein die Pflanzenrestdichte ungewöhnlich gering. Damit kommen wir zu einer wichtigen Frage unseres Projektes: Waren die an „Zentralen Orten“ wie dem Glauberg Ansässigen überhaupt selbst in die Landwirtschaft eingebunden?

Ausmaß und Art der Kulturpflanzen-Produktion sowie des Konsums finden im Allgemeinen in der Konzentration verkohlter Pflanzenreste innerhalb der Siedlungen ihren Niederschlag. Es zeigt sich hier, dass die Konzentrationswerte von Getreiden, Hülsenfrüchten, Öl-/Faserpflanzen bezogen auf Abfallgruben bei den Annexwällen am Glauberg niedriger sind als das, was man aus ländlichen Siedlungen der Frühlatènezeit erwarten kann. Diese niedrigen Werte entsprechen aber denjenigen eindeutiger Konsumenten-Fundstellen, wie etwa römischer Wachtposten am Limes. Diese geringeren Konzentrationswerte sind also ein Hinweis, dass wir es am Glauberg nicht mit einer normalen landwirtschaftlichen Produzenten-Siedlung zu tun haben.
2005-2006 wurden von den Mainzer Archäologen frühlatènezeitliche Siedlungsreste mit mehreren Pfostengruben, Kegelstumpfgruben sowie einem Grubenhaus in der Flur „Klause“ am Fuße des Glauberges ausgegraben. Die archäobotanischen Untersuchungen förderten auch hier Pflanzenreste als Überreste des Alltagslebens zutage. Von einem späteren Vergleich der Funde aus der Siedlung „Klause I“ mit denjenigen von den Bereichen auf dem Berg bei den Annexwällen sowie von anderen ländlichen Siedlungen des Umfeldes erhoffen wir uns Hinweise zu den jeweiligen örtlichen Aktivitäten. Es wäre beispielsweise denkbar, dass das Areal auf dem Glauberg bei den Annexwällen eher für Kulthandlungen und Feste genutzt wurde, während sich die gleichzeitigen Siedlungsaktivitäten am Fuße des Glauberges konzentrierten. Diese ersten Tendenzen, die sich aus den archäobotanischen Untersuchungen ablesen lassen, müssen in den nächsten Jahren auf breiterer Datenbasis weiter verfolgt werden.

Summary
Archaeobotanical investigations at the Glauberg, Hesse/Germany, as a possible “central place“ are part of the Priority Programme of the German Research Association (DFG) on centralization-processes in Central Europe and related social developments between 800 and 500 BC. Preliminary archaeobotanical results from the area of the so-called “annex-walls” can be interpreted by taking as a basis diachronical data from sites situated in comparable loess landscapes of Hesse and neighbouring areas. The rich spectrum of cereals, pulses and other cultivated and collected plants points to an excellent supply with plant alimentation of the Glauberg site. Still, the number of charred plant remains per litre of soil gained from structures having been used as waste-pits is very low as compared to other Early-Latène settlement features. The archaeobotanical results from the area of the “annex-walls” concerning by-products of grain processing stand in line with those from so-called consumer-sites rather than with those from normal settlements with agricultural production. The results underline the outstanding rôle of the Glauberg. Further archaeobotanical results, especially from the assumed settlement areas at the foot of the Glauberg (e.g. “Klause I”) must be awaited to proof the hypothesis concerning the function of the area of the “annex-walls” presented here.

Résumée
Des recherches carpologiques ont été réalisées sur des nouvelles fouilles menées au site du Glauberg, Hessen/Allemagne, dans le cadre du programme prioritaire d’Association du Recherche Allemand (DFG) sur les développements sociales concernant des sites princières (Fürstensitze) dans l’Europe Centrale du 8ième au 5ième siècle BC. Les résultats préliminaires archéobotaniques indiquent une situation excellente en ce qui concerne l’approvisionnement du site Glauberg « Annex-Wälle «. Par comparaison avec les résultats carpologiques d’autres sites de l’Âge du Bronze et de l’Âge du Fer des régions comparables on peut adopter que l’aire investigée sur le Glauberg n’était pas partie d’un village « normal » produisant des produits agricoles. Pour essayer une interprétation plus détaillée sur les aspects fonctional du site « Annex-Wälle » il faut attendre les résultats archéobotaniques des fouilles dans les villages rurales présumés à la base du Glauberg (« Klause I » etc.).
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Letzte Änderung: 19.12.2008